Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Annedore Policek – Vernissage im Himmelreich 11.07.2017 Sie ist eine wunderbare Frau, eine von der Sorte Mensch, der man im Leben nicht sehr oft begegnet. Die Künstlerin hatte vor zwei Jahren ihre 8. Lebensdekade vollendet. Aus diesem Anlass wurde mit einer würdigen Ausstellung in der Stadtkirche Halberstadt ein Teil ihres umfangreichen künstlerischen Schaffens gezeigt und ich bat sie um eine Unterschrift auf den Katalog. Nach dem Gespräch nahm ich eine Einladung für einen Privatbesuch bei ihr mit nach Hause. Als ein Neuling in dieser Stadt, ein total unbeschriebenes Blatt und völlig Fremder dazu, durfte ich sie in ihrem privaten Wohnumfeld treffen, sie sprechen und mich umschauen. Die Tragweite dieser Begegnung mit einer großen Künstlerin, eine, die den Namen ihrer Heimatstadt bis weit über deren Grenzen hinaus getragen hat, ist mir erst einige Tage später bewusst geworden. In den zwei Jahren danach ist so etwas wie eine kleine Freundschaft gewachsen, die offensichtlich sowohl ihres, als auch unser neues Leben hier bereichert. Zwar trennen uns einige Lebensjahre, aber wir haben auch viele gemeinsame Erfahrungen an verschiedenen Stätten der Vergangenheit gemacht, über die zu reden sich lohnt und wir möchten dem neue Erlebnisse hinzu fügen. Auch deshalb sind wir auf dem Weg zu der Ausstellungseröffnung in der Galerie „Himmelreich“, im Herzen von Magdeburg. Es wird das zweite Mal sein, dass wir uns in so einem Rahmen treffen. Das „Himmelreich“ liegt genau dort, wo ich (noch) nicht so gern hinfahre, denn im Zentrum der alten Stadt hat Baumeister Chaos das sagen. Sperrungen, Umleitungen und Schilderwirrwarr sind hier schon fast normal. Ich finde dennoch unweit der Galerie einen Parkplatz. Den Rest laufen wir um zwei Blocks mit Sushi Bar, Museum und modernistischer Baukunst. Schön sieht anders aus. Auf mich macht diese Stadt noch immer den Eindruck von gestalterischer Hilflosigkeit, auch wenn hinter einer der Fassaden das „Himmelreich“ und eine Vernissage auf uns warten. ANNEDORE POLICEK weiß nichts davon, dass wir kommen. Wir sind eine Überraschung, hoffen wir jedenfalls. Die Hoffnung bestätigt sich. Die Umstände sind leider nicht so, dass unser Kommen normal wäre. Was man jedoch in schwierigen Tagen normal und richtig empfindet, das definiert jeder für sich allein. Wir sind gefahren, um diese Vernissage mitzuerleben und sie zu erfreuen. Die Freude und die Umarmung sind herzlich und als sich die erste Aufregung gelegt hat, bleibt auch Zeit und Ruhe, sich umzusehen. Mir fällt sofort der Schmetterling auf, weil er das Plakat der Halberstädter Ausstellung schmückte und in der Stadtkirche über dem Taufstein zu bestaunen war. Hier an einer weißen Wand, wirkt er plötzlich anders, irgendwie kleiner und weil das Tageslicht großzügig eindringen kann, auch freundlicher als in der Kirche. Viele der hier ausgestalten Arbeiten kenne ich bereits. Die verbleibende Zeit verbringe ich wartend auf einem Stuhl und dann klingt es im Galerieraum. Auf seiner Steeldrum lässt Detlef Weissenborn, zunächst zurückhaltend, dann aber lebhaft schwirrend, Töne und Klangfolgen entstehen, denen ich mich hingeben kann. Sie wirken beruhigend und machen den Kopf frei von Einflüssen, die man von draußen mitgebracht hat. Diese einzigartigen Melodiebögen, die sich wiederholen, auflösen und in andere übergehen, öffnen die Sinne für eine andere Kunstform, deren Ausstrahlung an diesem Abend das Interesse der Besucher finden soll. Die Ausstellungsräume sind proppevoll, die Stühle stehen dicht gedrängt. Vermutlich Freunde der Galerie, Berufskollegen und Kunstinteressierte, die mitten in der Woche den Weg hierher gefunden haben. Der Vorsitzende des Vereins „Freunde des Himmelreich“, Alfons Scholz, selbst ein Maler und Grafiker, spricht zur Einführung. Mit bildhaften, ja sogar sehr poetischen Worten, umschreibt er das Werk der Künstlerin, zieht Parallelen zu den urbanen Formen und Farben der Natur und vergleicht ihr Schaffen mit dem Klang von Musik. Die Künstlerin POLICEK ist eine, die stille Schwingungen der Natur in sich aufnehmen, ihnen im Schaffensprozess nach und nach Aussehen und Gestalt geben kann, so dass sie manchmal selbst überrascht ist, wie ich aus Gesprächen in ihrem Blumengarten weiß. Dort hat sie den Schmetterling entdeckt, ist sie vielleicht über die Steine gestolpert, die jetzt auf Leinwand gebannt, die Wand in der Galerie zieren, vor der sie sitzt und manchmal etwas verlegen den lobenden Worten des Kollegen lauscht. Aus ihren Werken, die als Auswahl hier zu sehen sind, spricht ihre Art und Weise, die versteckten und stillen Räume in ihrem Umfeld zu beschreiben. Am Rande ihres Grundstückes bricht der Boden abrupt nach unten ab und man schaut in die wild gewachsene Natur. Auch solche Einblicke findet man, wenn man sich ihren Blicken in den „Wald“ öffnet. Daraus strahlt Ruhe und Gelassenheit, wie ich sie oft bei ihr entdecken konnte. Während ich später durch die wandelnde Besuchertraube gehe, sie beobachte und vor einigen der bemalten Leinwände stehe bleibe, entdecke ich, wie intuitiv die Künstlerin die sie umgebende Natur eingefangen und für den Betrachter neu sichtbar gemacht hat. Ich entdecke, dass erst die Begegnung mit ANNEDORE POLICEK meine Neugier auf solche Blickwinkel geschärft hat und ich bin in diesen Augenblicken glücklich, all das hier in aller Ruhe betrachten und genießen zu können. Dass ich sogar bildhafte Nähe in den Bildern zum breiten Spektrum in der Rockmusik entdecken kann, verwundert mich inzwischen auch nicht mehr. Es gibt keine Grenzen, nur Annährungen. Grenzen sind von uns ausgedachte Sperren, die man überwinden kann, wenn sie Sein und Denken bereichern. Manchmal macht das Leben einen unerwartenden Knick, biegt einfach ohne Vorwarnung ab und stellt einen vor Entscheidungen, die man nicht entscheiden wollte. Alles scheint plötzlich anders, man fühlt sich aus der Bahn geworfen. Dann braucht der Mensch Halt, Freunde und Begegnungen wie diese mit der Künstlerin am Stadtrand von Halberstadt. Man muss nicht reden, in die Augen und ein Lächeln zu sehen, reicht völlig aus. Es muss ja nicht gleich im „Himmelreich“ sein, aber wenn es sich so fügt, man Erlebnisse und Emotionen teilen kann, fühlt man sich stark für das, was einen auf dem weiteren Weg erwartet. Auch das vermag Kunst, gleich ob Malerei, Literatur oder eben Musik. Inzwischen freuen wir uns auf die nächsten Begegnungen mit ANNEDORE POLICEK und auf unser weiteres Leben.
Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Wanderungen, zufälligen Begegnungen und Entdeckungen im Harz.